Freitag, 8. September 2017

[Gesellschaftskritische Gedanken] Die Tribute von Panem von Suzanne Collins

Reihe: Die Tribute von Panem
Bände: 3
Autor: Suzanne Collins
Genre: Dystopie
Verlag: Oetinger 
Meine Rezensionen:
Tödliche Spiele
Gefährliche Liebe
Flammender Zorn

Kurzbeschreibung: 
Überwältigend! Von der Macht der Liebe in grausamer Zeit ... 

Nordamerika existiert nicht mehr. Kriege und Naturkatastrophen haben das Land zerstört. Aus den Trümmern ist Panem entstanden, geführt von einer unerbittlichen Regierung. Alljährlich finden grausame Spiele statt, bei denen nur ein Einziger überleben darf. Als die sechzehnjährige Katniss erfährt, dass ihre kleine Schwester ausgelost wurde, meldet sie sich an ihrer Stelle und nimmt Seite an Seite mit dem gleichaltrigen Peeta den Kampf auf. Wider alle Regeln rettet er ihr das Leben. Katniss beginnt zu zweifeln - was empfindet sie für Peeta? Und kann wirklich nur einer von ihnen überleben? 


Meine Gedanken (mit Spoilern): 
Mit „Die Tribute von Panem“ wurden Dystopien wieder Kult. Obwohl selbst der dritte Band bereits vor über sechs Jahren erschienen ist, bleibt es – vermutlich nicht nur für mich – eine absolute Besonderheit im Dystopiebereich. Ob Collins sich nun wirklich von „Battle Royale“ inspirieren lassen hat oder nicht – ihre Reihe ist ein großes Mahnmal an die Gesellschaft und auf ihre Art einzigartig. Warum?

Mich persönlich faszinieren Dystopien und ihre Gesellschaftskritik sehr. Mit ihnen kann jedes Thema so verarbeitet werden, dass auch Jüngere oder weniger interessierte Leute erreicht werden. In der Buchreihe „Die Tribute von Panem“ geht es dabei um ein Regierungssystem, das auf Unterdrückung setzt. Das Volk wird in Gruppen eingeteilt, um zu zeigen, dass es nicht geeint ist. Und um dies noch extremer zu verdeutlichen, wird jedes Jahr ein Wettkampf veranstaltet, in dem sich die Jugendlichen der Distrikte auf den Tod bekämpfen müssen. Das System funktioniert, weil niemand dagegen aufbegehrt. Es funktioniert, weil man viele kleine Gruppen besser kontrollieren kann als eine einzige. Und es funktioniert, weil die Distrikte in ihrer Kommunikation voneinander vollkommen abgeschnitten sind.

Interessant wäre herauszufinden, wie es überhaupt dazu kam, dass sich Distrikte und ein Kapitol gebildet haben. Wenn man sich unsere aktuelle Welt ansieht, geht ja alles mehr Richtung Individualität und jeder hat seine eigenen Lebensvorstellungen und vor allem beruflichen Wünsche. Dass innerhalb von Generationen der gleiche Beruf ausgeübt wird, ist kaum noch gängig und doch findet dieses System in Panem durchaus Verwendung. Wer in Distrikt 12 geboren wird, kann nicht einfach Fischer oder Holzfäller werden. Und da kommt gleich die nächste Frage auf: Was machen eigentlich die Leute im Kapitol? Einige haben offensichtlich Läden, einige sind Politiker, einige gehören fest integriert zu den Spielen. Wahrscheinlich gibt es auch noch andere Unterhaltungsmöglichkeiten, aber so verwöhnt und unterhaltungsausgerichtet diese Gesellschaft ist, müssen sie trotzdem von irgendwas leben – und zwar jeder einzelne von ihnen. Sonst stellt sich die Frage, ob viele der Bewohner des Kapitols einfach nur Erben reicher Familien sind und sich dies durchgängig fortsetzt. Trotzdem könnte das nicht für immer gutgehen.

Wenn man mal anfängt zu rechnen, sind 75 Jahre gar keine so lange Zeit. Wie das in Panem ist…nun, das steht natürlich auf einem anderen Blatt, aber Todesraten sind ja leider nur in Maßen bekannt. Es ist faszinierend, dass in der gesamten Reihe nie ein wirklich alter Mensch mal seine Gedanken zu den Spielen äußert. Die Ältesten bilden tatsächlich Haymitch und Katniss‘ Mutter. Aber das waren die 50. Spiele und davor kann so viel passiert sein. Das ist tatsächlich etwas schade, denn dadurch könnte ein bisschen Licht ins Spiel gebracht werden, um die Beweggründe des Kapitols besser zu verstehen. Nicht einmal über Generationen hinweg gibt es Erzählungen. Zensur durch das Kapitol oder aus Angst? Katniss‘ Mutter hatte ja auch Angst, dass Katniss und Prim die Lieder ihres Vaters einfach nachsingen und hat sie verboten. Redet deshalb niemand über die Vergangenheit? Distrikt 13 zählt dabei nicht. Sie reden zwar gerne und viel über ihre Vergangenheit, aber nur in dem Rahmen, der sie betrifft.

Jugendliche sind in der Regel in ihrer Reifezeit. Mit Kindern könnte man auch einen krassen Effekt erzielen. Diese sind niedlich und wecken den Beschützerinstinkt im Menschen. Bei Erwachsenen wiederum passiert das kaum. Selbst bei uns schauen viele weg, wenn jemandem was auf der Straße passiert. Jugendliche sind daher sehr raffiniert gewählt. Sie sind noch so jung, dass es die Distrikte bestürzt, sie zu verlieren, aber wiederum so alt, dass die Bewohner des Kapitols keine zu starken Emotionen zu ihnen aufbauen. Natürlich geht das auch bei Jugendlichen, aber aus Sicht des Kapitols sind Jugendliche schön und stark. Sie können kämpfen, sind noch in bester Form, aber auch nicht mehr hilflos.

Distrikt 12 wird vom Kapitol kaum beachtet. Die Versorgung ist erbärmlich. Viele hungern, aber dafür stehen die Außengrenzen nur selten unter Strom. Stellt sich die Frage: Warum? Ist Distrikt 12 dem Kapitol so unwichtig? Brauchen sie einfach keine Kohle? Man kann vielleicht davon ausgehen, dass das Kapitol nicht gerade mit Kohle heizt, aber die anderen Distrikte definitiv. Und außerdem dient Kohle ja nicht nur zur Wärmeerzeugung, sondern auch zur Stromerzeugung. Hat das Kapitol eine wirksamere Methode zur Stromgewinnung? Ja, natürlich. Distrikt 5. Denn die sind ja nur dazu da. Und Strom ist für das Kapitol eines der wichtigsten Dinge überhaupt. Ohne Strom könnten sie nicht einmal die Distrikte wirksam in Schach halten. Daneben scheint Distrikt 12 nur eine minimale Bedeutung zu haben, obwohl Kohle ein wichtiger Faktor zur Energiegewinnung ist. Wenn dies aber so wichtig ist, macht es keinen Sinn, Distrikt 12 so zu vernachlässigen. Mag sein, dass Distrikt 11 zum Beispiel viel grundlegender für die gesamte Bevölkerung ist, weil sie nun einmal Nahrung produzieren, aber heißt das, dass das Kapitol ihr Luxusgut Strom gar nicht so wichtig findet? Scheinbar gab es ja einen Umbruch von Friedenswächter zu Friedenswächter, was auch bedeutet, dass es früher mal anders war.

Wie bricht man eine Figur in 1.276 Seiten? Ganz einfach. Man bedroht das, was die Figur liebt. Also, Prim, ihre kleine Schwester. Man sorgt dafür, dass dieses etwas in akuter Lebensgefahr ist und die Person trotzdem die Chance hat, etwas zu unternehmen. Sich freiwillig für die Spiele melden. Dann lässt man sie den größten Horror erleben, den sie nur für ihre Schwester auf sich genommen hat. Man gibt ihr wieder eine Person, die sie langsam zu lieben lernt. Und nimmt sie ihr weg. Ohne Hoffnung, etwas unternehmen zu können. Man sorgt dafür, dass diese Person sie später nicht mehr liebt. Unerwiderte Liebe ist grausam. Unsere Figur hat nun alles wieder. Beide Personen, die sie mehr als alles andere liebt. Und dann stößt man sie an den Abgrund und sorgt dafür, dass alle Geschehnisse von Beginn an sich sinnlos anfühlen: Prim muss sterben. Vor Katniss‘ Augen, während sie nichts dagegen tun kann. Denn so hätte es eigentlich kommen müssen. Und dann sorgt man noch dafür, dass das Vertrauen in die einzige Person, der man immer vertraut hat, gebrochen wird. Mehr braucht es gar nicht.

Und trotzdem war nicht alles umsonst. Katniss hat zwar verloren, wofür sie ganz persönlich gekämpft hat, aber dafür hat sie allen anderen in Panem die Möglichkeit gegeben, sich endlich aus der Tyrannei zu befreien. Sie hat den Stein ins Rollen gebracht, auch wenn sie nie die Intention dazu hatte. Die Schlacht mag vielleicht verloren sein, der Krieg jedoch nicht.

Dies sind nur einige wenige Gedanken zur Buchreihe, die man natürlich unendlich weiterspinnen könnte. Es gibt so viele unbeantwortete Fragen und so viele kritische Themen, die in diesen Büchern verarbeitet werden. Und trotzdem wirken sie nie aufgesetzt, sondern so lebensecht, dass einem die Erlebnisse manchmal den Atem rauben und sich immer wieder in die Gedanken einschleichen.

Habt ihr euch auch schon einmal intensivere Gedanken zur Panem-Reihe gemacht? Was ist euch besonders aufgefallen?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.